Protokoll zum 103. interdisziplinären Onkologischen Kolloquium am 11.05.05

Konferenzraum der Klinik für Radioonkologie

Johanniter - Krankenhaus der Altmark in Stendal gGmbH

 

 

1. Diskussion der letzten Sitzung: Keine Ergänzungen

 

 

2. „Grundsätze der Palliativmedizin “ 

 

Frau Borschke berichtet von einem 1wöchigen „Basiskurs Palliativmedizin“. Die Bedeutung einer palliativen Behandlung ergibt sich aufgrund der demographischen Erhöhung der Zahl sehr alter Menschen in Deutschland bei den kurative Therapieverfahren nicht mehr möglich sind. Mit dem Alter steigt auch die Zahl maligner Erkrankungen. Vor den 250.000 malignen Neuerkrankungen können nur etwa 45% primär kurativ behandelt werden. Von diesen rezidivieren noch einmal 15%, so dass etwa 60% aller Tumorpatienten eine palliative Behandlung benötigen.

            Die palliative Behandlung wird definiert als „Handlung mit dem Ziel der Verbesserung der Lebensqualität bei nicht heilbaren Erkrankungen und begrenzter Lebenserwartung“. Dazu ist ein multiprofessionelles Team aus Ärzten, Schwestern, Psychologen, Sozialarbeitern und Physio­the­rapeuten erforderlich. Der wichtigste Baustein jeder palliativen Therapie ist die adäquate Kom­munikation mit dem schwer erkrankten Patienten.

            Die häufigsten Symptome bei Palliativpatienten sind Schmerzen, Obstipation, Übelkeit, Erbrechen und Diarrhoe. Dabei muß man zwischen einer Palliativphase mit relativ langer Lebenserwartung und einer Terminalphase von kurzer Dauer unterschieden werden.

            Die Schmerztherapie ist ein sehr zentrales Gebiet der Palliativmedizin. Neuere For­schungen zeigen, daß die Unterscheidung von peripher und zentral wirksamen Medikamenten unrichtig ist. Opiate können sehr wohl auch peripher wirken.  Nichtopioid - Analgetika haben zusätzlich eine zentrale Wirkung. Wegen des unterschiedlichen Wirkungsmechanismus ist die Kombination von Opiaten und NSAR sinnvoll. Abgeraten wird von einer Kombination von schwachen und starken Opiaten sowie von einer Bedarfsmedikation bei Opiaten. Die Strahlentherapie kann viele Symptome von Palliativpatienten bekämpfen. Hier muß das Ziel eine einfache, wenig belastende Technik sein. Bei der Behandlung von Übelkeit kommen ganz unterschiedliche Medikamentengruppen zur Anwendung je nachdem, ob die Ursache eine Obstruktion, eine motorische Störung oder eine Urämie ist. Auch bei der Obstipation sollte je nach Ursache differenziert behandelt werden.

            Als Terminalphase bezeichnet man die palliative Pflege der letzten Tage und Stunden, in denen das Nähertreten des Todes sichtbar wird. In dieser Phase gelten andere Regeln, als in der übrigen palliativen Pflege. Einen vollkalorische Ernährung braucht nicht mehr erzwungen werden. Auch die Flüssigkeitszufuhr sollte beschränkt werden, da bei Volumenreduktion verschiedene Symptome der Terminalphase gemindert werden. Unter anderem wird die  Di­urese, die Magensekretion, die Ödembildung und die Bronchialsekretion bei beschränkter Flüs­sig­keitszufuhr vermindert. Eine terminale Sedierung sollte nur durchgeführt werden, wenn konventionelle palliative Maßnahmen nicht zu einer Symptomkontrolle führen und der Patient die terminale Sedierung wünscht. Die terminale Sedierung darf nicht die persönliche Pflege und Zuwendung beenden. Auch in der Sedierung wird die Zuwendung wahrgenommen. Ein besonderes Symptom in der Sterbephase ist das terminale Rasseln. Dieses kann durch Anticholinergika  wirksam bekämpft werden. Frau Borschke weist darauf hin, daß auch in der Ter­mi­nalphase die aktive Sterbehilfe strafbar ist. Zulässig ist die passive Sterbehilfe in Form eines Behandlungsverzichtes oder der Beendigung lebensverlängernder Maßnahmen. Davon zu unterscheiden ist die indirekte Sterbehilfe, wenn der Tod als nicht beabsichtigter Nebeneffekt einer lindernden Behandlung, z.B. einer Morphingabe eintritt. Der Wille des Patienten ist von zentraler Bedeutung. Man sollte Patienten ermutigen, Patientenverfügungen zu erstellen, so­lange sie frei entscheidungsfähig sind. Eine solche Patientenverfügung ist zu einer späteren Zeit­punkt eine bindende rechtliche Absicherung des behandelnden Arztes.

            Eine ärztliche Weiterbildung in Palliativmedizin erfordert nach einer Facharztprüfung 12 Monate Tä­tig­keit in einer zur Weiterbildung ermächtigten Institution oder einen 40-Stunden – Kurs Wei­ter­bildung. Im Rahmen der gesamtem palliativen Therapie, die in verschiedenen In­sti­tu­tionen möglich ist, zeichnet sich die Palliativstation durch einige Kriterien aus. Eine Palliativstation sollte eine eigenständige Einheit sein, die von einem Arzt geleitet wird, der eine Grundaus­bil­dung für Palliativmedizin besitzt. Eine gute palliative Pflege ist in der Regel nur in Einzelzimmern möglich. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt werden, gestattet auch das DRG eine adäquate Bezahlung durch die Einrichtung der neuen OPS8-982.

 

 

 3. Fallvorstellungen:                                             

 

 

3.1. M., C., * 27.11.1949, vorgestellt von Frau Rosenthal, Frauenklinik

 

Frau Rosenthal berichtet von einer Patientin mit einem invasiven Zervixkarzinom. 3 von 48 Lymph­knoten waren tumorbefallen. Die befallenen Lymphknoten saßen in der Fossa obturatoria links. Es bestand eine Lymphangiosis und Hämangiosis carcinomatosa. Die Parametrien waren im Anfangsteil infiltriert. Nach den Ergebnissen der Blohmer - Studie würde die Patientin von einer postoperativen Radio – Chemotherapie profitieren. Frau M. wird voraussichtlich in die neue Blohmer - Studie aufgenommen. Die demonstrierten CT – Bilder  zigen, daß der Tumor rechts an die Beckenwand herangezogen ist.

 

 

3.2. W., E., * 13.06.1954 vorgestellt von Frau Rosenthal, Frauenklinik

 

Frau Rosenthal berichtet von einer Patientin, die wegen Verdacht auf einen Ovarialtumor laparotomiert wurde. Es bestand ausgedehnter Ascites sowie eine Peritonealkarzinose. Hi­sto­lo­gisch gering differenziertes Adenokarzinom mit Siegelzellringausbildung. Herr Pollalk de­mon­striert die Histologie mit schleimbildenden Tumorzellen, die CEA – positiv sind. Aufgrund der Im­mun­histochemie am ehesten ein Tumor des Magen – Darm - Traktes. Die Gastroskopie hat keinen Tumorbefund ergeben. Möglicherweise liegt ein szirrhöses Magenkarzinom vor, welches sich bei der Gastroskopie nicht zeigte. In Abhängigkeit vom Primärtumor soll eine Chemo­the­ra­pie erfolgen. Die demonstrierten CT’s zeigen neben dem Ascites eine Kette von Lymph­knoten­ver­größerungen im Mesenterium.

 

 

3.3. P., E., * 04.03.1923, G264 vorgestellt von Frau Rosenthal, Frauenklinik

 

Frau Rosenthal berichtet von einer Patientin, die wegen einer PM - Blutung abradiert wurde. Im Abradat wurde die Diagnose eines malignen mesodermalen Mischtumors gestellt. Im Hyster­ekto­mie­präparat konnte eine mesenchymale entartete Struktur nicht gezeigt werden. Es bestand allerdings ein ausgedehntes endometrioides Adenokarzinom. Herr Pollak demonstriert die Histologie mit dem auffälligen Mesenchym im Abradat. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Reiz­zustand ohne eigentliche Malignität. Als Nachbehandlung ist die Durchführung einer After­loading -Therapie geplant.

 

 

3.4. P., G., * 10.03.1940, E354 vorgestellt von Frau OÄ Borschke, Radioonkologie

 

Frau Borschke berichtet von einer Patientin, bei der vor 5 Jahren ein weit fortgeschrittenes lym­pho­gen metastasiertes  Mamma – Ca. operiert und chemotherapiert wurde. In der Zwischenzeit sind 2 axilläre, ipsilaterale Rezidive operiert worden. Wegen einer Knochenmetastasierung wurde eine Strahlentherapie von BWK 4 bis 6 durchgeführt. Jetzt ausgedehnte kontralaterale Lymph­knotenmetastasierung links supraklavikulär und links am Hals. Neben einer Strahlen­therapie wird vorgeschlagen, eine systemische Therapie durchzuführen. Wegen der langen Re­mis­sion nach der Primärtherapie wird vorgeschlagen das bereits angewendete FEC wieder zu verwenden gegriffen werden. Nach Rücksprache mit OA Smaglinski soll eine Biopsie supra­klavi­ku­lär durchgeführt werden, um Rezeptoren und Her2-neu zu bestimmen. FEC erscheint weniger günstig, da nach FEC bereits ET gegeben wurde.

 

 

3.5. W., D., * 09.1.1960, vorgestellt von OÄ Müller, Innere I

 

Frau Müller berichtet von einem jungen Patienten mit einem hoch nodal positiven Rektumkarzinom. Zunächst war vorgesehen postoperativ eine Radio – Chemotherapie unter Ein­be­ziehung von Oxaliplatin durchzuführen. In der Planungsphase wurden aber supra­kla­vi­ku­läre Lymphknotenmetastasen entdeckt und histologisch gesichert. Daher Chemotherapie mit Capecitabine / Oxaliplatin. Die CT – Kontrolle zeigt Lymphome zervikal, thorakal und abdominal. Unter dem Verdachts eines Zweittumors (NHL) wurde eine Lymphknotenmetastase supra­kla­vi­kulär exzidiert. Es handelte sich jedoch um ein Adenokarzinom des primär operierten Rektumkarzinoms. Zur Zeit läuft eine Chemotherapie mit Irinotecan mono. Jetzt sind Schmerzen im Becken aufgetreten. Eine ausreichende Knochendiagnostik liegt noch nicht vor. Die demonstrierten CT’s zeigen aber Weichteilmetastasen, die in der Lage wären, links die Spinalnerven zu infiltrieren und neuropathische Schmerzen auszulösen. Falls dieses die Hauptleidensquelle ist, käme auch eine palliative Bestrahlung dieser Region in Frage.

 

 

3.6. B., H.-J., * 05.05.1947,  vorgestellt von OÄ Müller, Innere I

 

Frau Müller berichtet von einem Patienten mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom mit primärer hepatischer, zerebraler und ossärer Metastasierung. Nach Chemotherapie mit Irinotecan und Carboplatin deutliche Remission des zerebralen Tumors. Anfang des Jahres Radiatio des Neurokraniums. Das aktuelle CT zeigt einen massiven Progress der Leber­meta­sta­sierung, eine Nebennierenmetastasierung und eine ausgedehnte Skelettmetastasierung. Da der Patient ausgeprägten Therapiewunsch hat, soll eine Second line – Chemotherapie, z. B. mit Taxanen durchgeführt werden.

 

 

3.7. H., R., * 01.04.1932, vorgestellt von OÄ Müller, Innere I

 

Frau Müller berichtet von einem Patienten mit einem Plattenepithelkarzinom des rechten Lungenoberlappens und einer Metastase im rechte Unterlappen. Nach Thorakotomie erfolgte lediglich eine Teilresektion und eine Lymphknotenbiopsie. Es besteht eine Schrittmacherversorgung. Nach Chemotherapie wird diskutiert, ob eine Radiatio möglich ist. Die demonstrierten CT’ s zeigen, daß der Primärtumor an der Thoraxwand adhärent war, so daß im Falle einer Strahlentherapie  auch dieser Bezirk mitbestrahlt werden müsste. Darüber hinaus zahlreiche Lymphknotenmetastasen im aortopulmonalen Fenster. Der Schrittmacher liegt günstig in der Nähe der linken Klavikula. Vor einer Bestrahlung müsste geklärt werden, ob eine vorüber­ge­hen­de Störung der Schrittmacherfunktion vital bedrohlich ist. 

 

 

3.8. S., U., * 16.06.1941

 

Männlicher Patient mit einem Mamma – Ca.. Nach Operation EC - Chemotherapie und Bestrahlung. 4 Jahre Remission. Im August letzten Jahres pulmonale Metastasen. Behandlung mit Epirubicin / Taxol. Bei der Kontrolle Atelektase im rechten Unterlappen unklarer Genese. Die Nachbestimmung der Rezeptoren zeigt, daß der Tumor für Östrogen, Progesteron und Androgen positiv ist. Es wird vorgeschlagen, eine endokrine Therapie, z.B. mit einem Aromatasehemmer zu versuchen.

 

 

4. Veranstaltungskalender

 

Die nächste Sitzung des Brustzentrums findet am 25.05.05 in der Frauenklinik statt. Die 104. Sitzung des Interdisziplinären Onkologischen Kolloquiums ist am 08.06.05. Prof. Rebmann aus Dessau wird einen Vortag über die nerveerhaltende radikale Prostatektomie halten.

 

 

 

 

 

 

 

Prof. Dr. med. Jens Bahnsen

Chefarzt Klinik für Radioonkologie